MDR: Zeitzeugen erinnern sich in Apolda an den Wendeherbst 1989

1989 - an dieses Jahr erinnern sich wohl die meisten Menschen in Deutschland. Auch in Apolda wissen viele noch, was sie zum Beispiel am 4. November getan haben. 2.000 von ihnen waren damals in die Lutherkirche gekommen, um am Friedensgebet teilzunehmen. Montagabend wurde am Orignalschauplatz daran erinnert. Dabei sprachen Zeitzeugen vor dutzenden interessierten Bürgern.

Sechs Männer posieren in einer Kirche vor dem Altar nach einer Podiumsdiskussion für ein Foto.

Volker Heerdegen, Beigeordneter der Stadt Apolda, Christoph Eisenhuth, Pfarrer i.R. und damaliger Leiter Runder Tisch, Matthias Büchner, DDR-Sprecher "Neues Forum", Mike Mohring, der damals die Schülergruppe "Neues Forum" organisierte, der derzeitige Pfarrer von Apolda, Thomas-Michael Robscheit, und Jürgen Schwarz, Kreissprecher "Neues Forum" in der Apoldaer Kirche (von links nach rechts). Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Hans-Joachim Galiffè hat die Versammlung damals organisiert. Die Martinskirche sagt er, war viel zu klein geworden. Ohne Werbung zu machen, seien die Leute in Scharen zum Friedensgebet gekommen - so auch am 4. November 1989. Die Menschen wollten eine Veränderung, die Menschen wollten eine Revolution und zwar friedlich, so Galiffé.

Wunsch nach Freiheit

Von einer friedlichen Revolution spricht auch Pfarrer i.R. Christoph Eisenhuth. Er leitete damals den Runden Tisch und war eine zentrale Figur im Umbruch in Apolda. Den Begriff Wende lehnt Eisenhuth ab - er stört sich daran. Dieses Wort sei von Egon Krenz geprägt worden und drücke nicht aus, was die Menschen damals dachten. Der Wunsch nach Freiheit habe 1989 alles überstrahlt. Auch in seiner Wohnung hatten sich die Pfarrer der Umgebung versammelt. Gemeinsam hätten sie Friedensgebete organisiert, erinnert sich Eisenhuth.

Plakate am Küchentisch gemalt

Der DDR-Sprecher des Neuen Forums, Matthias Büchner, war am 4. November 1989 nicht in der Lutherkirche dabei. Er war zur gleichen Zeit bei einer Demonstration in Berlin, aber erinnert sich an die Kraft, die von Apolda ausging. Zu einer Demonstration am 6. November waren tausende Menschen gekommen. Bei 12.500 hat Mike Mohring damals aufgehört zu zählen. Er war Gründungsmitglied der Schülergruppe Neues Forum und hat die Demonstrationen mitorganisiert. Am heimischen Küchentisch hat er Plakate gemalt und handschriftlich Aufrufe verfasst. Gemeinsam mit Freunden hat er sie auf einfachste Weise vervielfältigt und mit selbst zusammengerührten Latexleim an Betonmasten gepappt, so Mohring. Die Polizei habe die Jungs aufgehalten und ihnen die Ausweise weggenommen, doch sie hätten weiter gemacht. Halb Apolda mobilisiert zu haben, das hat Jeden in der Runde beeindruckt.

Keiner wusste, was kommt

Der Demonstrationszug am 6. November - er führte vom Gericht durch die Stadt. Ziel war die Stasi Zentrale Apolda. Es war ein mulmiges Gefühl, erinnern sich einige Apoldaer. Keiner wusste, was kommt. Wenige Tage später wurde die Mauer geöffnet - genau zu der Zeit, als sich die Apoldaer wieder in der Kirche versammelt hatten - zum Friedensgebet.


von Conny Mauroner 05.11.2019

Quelle: MDR THÜRINGEN/jml